Wir sprechen oft von natürlichem Umgang oder natürlicher Kommunikation mit Pferden, wenn es um Natural Horsemanship gibt. Auch wir nutzen von Zeit zu Zeit der Einfachheit halber diese Formulierungen, die streng genommen ein wenig überheblich sind, wenn wir sie genauer unter die Lupe nehmen.
Natürliche Kommunikation mit Pferden – das hört spätestens dort auf, wo Ausrüstungsgegenstände ins Spiel kommen. Halfter, Seile, Sticks oder Gerten, Kappzäume, Trensen – sämtliche Hilfsmittel, die wir verwenden, können zwar eine sanfte Pferdeausbildung unterstützen, sind jedoch für eine natürliche Kommunikation – im Sinne der Kommunikation zwischen Pferden – nicht nur unnötig, sondern auch störend.
Pferde kommunizieren untereinander nicht nur ohne Hilfsmittel, sondern sie unterhalten sich auch über völlig andere Themen als wir Menschen es mit unseren Pferden gern tun würden. Dementsprechend sind manche Bausteine unserer Kommunikation mit Pferden in der natürlichen, angeborenen Kommunikation der Tiere nicht enthalten. Kein Pferd muss einem anderen die Hufe auskratzen, es bitten, bei einer Impfung stillzustehen oder sich brav einen Sattelgurt anlegen zu lassen. Noch elementarer: Kein Pferd führt ein anderes am Halfter über den Hof…
In unserem Umgang mit Hauspferden können wir also bestenfalls von naturnaher, aber nicht von natürlicher Kommunikation sprechen.
Ist das nun schlecht?
Dafür müssen wir vor allem eines bedenken: auch unsere Pferdehaltung kann, wenn sie wirklich gut ausgestaltet ist, höchstens naturnah, aber nie natürlich sein.
Wir können unseren Pferden nicht die Fläche zur Verfügung stellen, die sie normalerweise für sich beanspruchen würden. Selbst in Offenstallhaltung können die Pferde nicht so frei wählen, wo sie fressen, schlafen und spielen. Im Winter sind auch die meisten Offenstallpferde um Heuraufen versammelt, statt auf vielen Hektar Weideland nach Gräsern, Kräutern, Sträuchern und Bäumen zu suchen, die ihnen Nahrung geben. Mit wem sie sich einen Stall teilen, entscheidet der Mensch – ob die Pferde zueinander passen, ist dabei oft keine Frage.
Viele weitere Faktoren spielen mit in dieses Thema hinein. Ob wir unsere Pferde reiten wollen oder nicht: selbst, wenn wir uns entscheiden sollten, unsere Pferde lediglich „zum Angucken“ zu halten, so ist es aus meiner Sicht durchaus sinnvoll, wenn ein Pferd die Hufe geben kann, wenn wir es in unserer unnatürlichen Umgebung am Halfter führen und einem Tierarzt vorstellen können. Pferdehaltung und Freizeitaktivitäten mit dem Pferd – von der Bodenarbeit über Spaziergänge bis zum Reiten – werden immer auch konditionierte Elemente enthalten.
Wichtig ist für mich vor allem, sich dessen bewusst zu sein.
Die gute Nachricht: In vielen Bereichen ist es möglich, Elemente natürlicher Pferdekommunikation in unsere eigene Kommunikation einfließen zu lassen. Wir können Signale lernen und umsetzen, die jedes Pferd versteht, ohne, dass wir sie ihm in irgendeiner Form „antrainieren“. Es ist sogar wichtig, dass wir diese Signale lernen – denn viele davon wenden wir unwissentlich im Alltag an, ohne das zu meinen, was wir dem Pferd gegenüber ausdrücken.
Dort aber, wo wir konditionierte Signale einsetzen, sollten wir uns dessen sehr bewusst sein. Es gilt, Signale präzise und einfühlsam zu konditionieren, ohne die Regeln der Pferdekommunikation zu verletzen oder das Pferd zu überfordern.
Gefühlvoll erklärt und bewusst eingesetzt können konditionierte Signale nicht nur sinnvoll sein, sondern auch Pferd und Mensch gleichermaßen Freude bereiten. Pferde sind durchaus willig und lernbereit und können große Neugierde darauf entwickeln, ein Stück in die Welt der Menschen einzutauchen, wenn die Beziehung stimmt – und dieser Grundstein wird bestenfalls zuvor nach Pferdeart gelegt…
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